Beiträge von Peter Christen

    Lieber manaja


    Ich möchte mich dem Dank anschliessen. Die neue Webpage sieht toll aus und ich drücke beide Daumen, dass sich die "BUGS" in Grenzen halten lassen.


    Herzliche Grüsse

    Peter

    Lieber Tulper


    Was Du schreibst berührt mich sehr. Auch ich war lange auf der Suche nach einem Menschen, dem ich so begegnen könnte und der auch mir so begegnet. Heute stehe ich an einem anderen Ort. Wenn Du Deine Aussage so veränderst, dass sie sich auf Dich selber beziehen, also: "Wie ich mir begegnen möchte - Ich möchte mich lieben, ohne mich einzuengen - Ich möchte mich wertschätzen, ohne mich zu bewerten" und so weiter. Kannst Du dann dazu auch ja sagen? Ich habe erfahren, dass ich in dem Mass liebesfähig werde, in dem ich meine Beziehung zu mir selbst in Ordnung bringe und mir selbst all das entgegen bringe, was ich mir wünsche, dass es ein anderer tun sollte oder ich mir Mühe gebe es jemand anderem zu geben. Das mag absurd klingen,, ist aber durchaus einen Versuch wert. Ich merke, dass ich so Frieden gefunden habe. Mit mir selbst, und dass meine Ansprüche an andere Menschen und an mich selbst nicht mehr so hoch sind. :)

    Lieber Takuasch


    Danke für Deine Offenheit. Was Du schreibst ist sehr eindrücklich und wirkt auf mich auch sehr glaubhaft. Was mir dazu in den Sinn kommt ist, dass es offenbar Menschen gibt, die sich so sehr wünschen in einem andersgeschlechtlichen Körper zu sein, dass sie sogar eine Geschlechtsumwandlung in Betracht ziehen. Vielleicht wäre es klärend für Dich, solche Biografien kennenzulernen. Auf http://www.transgender-network.ch/ findest Du weitere Information.


    Auf der anderen Seite gibt es offensichtlich relativ viele Männer, auch solche die in heterosexuellen Beziehungen leben, die ab und zu den dringenden Wunsch haben von einem Mann anal penetriert zu werden, und dies auch praktizieren. So aussergewöhnlich ist also Dein Begehren gar nicht. Dass dann bei Dir der Wunsch aufkommt eine Frau zu sein, deutet darauf hin, dass da möglicherweise etwas in Dir schlummert, was in Dein Bewusstsein kommen will. Die Auseinandersetzung mit Transsexualität könnte Dir eventuell helfen, Dir klar zu werden, wo Du wirklich stehst. Vielleicht verbindest Du Dein Verlangen nach analer Penetration mit etwas, das zu unserem heteronormativen Denken gehört, nämlich dass nur eine Frau das Verlangen nach einem Mann haben kann. Und das ist nicht wahr.


    Dass Du Phasen hast, in denen du Deine heterosexuelle Seite lebst, und dann die andere Dich wieder übermannt, erlebst Du zu Recht als verunsichernd, und wenn Du schreibst, dass Du Dir wünscht: ".... eine Beziehung zu einer Frau und endlich Ruhe haben von diesem ständigen hin und her" begreife das ich sehr gut. Das wäre der Versuch, Deinem Dilemma auf dem "normalen" Weg zu lösen. Aber wo bleibt dann die Seite in Dir, die sich die männliche Penetration wünscht? Ich vermute, dass diese Ruhe erst da zu finden ist, wo Du ganz ehrlich mir Dir selbst und auch mit einer möglichen Partnerin sein könntest, indem Du das akzeptierst und lebst was Dir entspricht. Was immer für eine Form das haben wird.


    Ich wünsche Dir alles Liebe und Gute

    Meiner Meinung nach sind Tabus dazu da, gebrochen zu werden, denn sie blockieren den natürlichen freien Fluss der Lebensenergie. Ich persönlich habe quasi zwei Comig-Outs hinter mir. Als junger Mensch, als ich das erste Mal mit einem Mann intim geworden war, und êin zweites, als ich nach 25 Jahren Ehe gemerkt habe, dass ich meine gleichgeschlechtlichen Neigungen unterdrückt hatte, und mich in einen Mann verliebte.


    Zuerst einmal musste ich in beiden Fällen das Tabu bei mir selber brechen, in dem ich mir zugab, auch Partnern des gleichen Geschlechts nahe sein zu wollen. Dann habe ich in beiden Fällen Personen gesucht in meinem täglichen Umfeld, von denen ich mir vorstellte, dass sie offen und unverkrampft mit diesem Thema umgehen können. Dabei habe ich als junger Mensch, aber auch als damals schon 61-jähriger, sehr gute und schöne Erfahrungen gemacht. Ich habe gemerkt, dass Menschen extrem offen auf das vermeintliche Tabuthema reagiert haben. Im Gegenteil, dass sich bisher eher oberflächliche Freundschaften durch meine Offenheit vertieft und intensiviert haben, weil mein Gegenüber sich von meiner Offenheit anstecken liess, und über eigene Themen sprach, die bisher in unseren Gesprächen offensichtlich tabu waren.


    Ermutigt von diesen Erfahrungen habe ich mich dann immer weiter vorgewagt, merke, dass ich beinahe ins Gegenteil verfiel und bei jeder sich passenden und unpassenden Gelegenheit das Tabuthema Bisexualität ins Gespräch gebracht habe. Ich wurde schon beinahe missionarisch.


    Mit der Zeit hat es sich dann aber sowohl als ich jung war, als auch heute etwas normalisiert. Ich weiche dem Tabuthema nicht mehr aus, bin aber auch nicht mehr so eifrig, dass ich es bei jeder Begegnung gleich an die ^grosse Glocke hängen muss. Heute ist es so, dass ich mir einfach keine Mühe mehr gebe, etwas zu erwähnen oder sorgfältig zu vermeiden. Ich spreche einfach ehrlich über das was ist. Zum Beispiel, dass ich gerade wunderschöne Ferien in Rom mit meinem Freund verbracht habe, und gestern mit meinem Sohn meine Eltern besuchte.


    Mein Fazit zu dem Thema ist, dass ein Tabu so lange ein Tabu ist, wie wir es aufrechterhalten. Wenn dieses Aufrechterhalten des Tabus zur Belastung wird, lohnt es sich, es in kleinen Schritten, aber mit Beharrlichkeit aufzulösen.

    Bericht über den ersten erweiterten Bi-Treff
    Am 13. September 2014 fand der erste erweiterte Bi-Treff mit Angehörigen und FreundInnen statt. Wir trafen uns im HAZ-Centro am Sihlquai in Zürich. Ein Duzend Menschen verschiedenen Alters und Geschlechts waren dabei. Wieder einmal erstaunte, dass die Themen bisexueller Frauen und Männer einander sehr gleichen. Vor allem wenn diese in einer Beziehung leben. Versuchen reifere Paare eher damit umzugehen wie sich die Bisexualität des Partners oder der Partnerin in der bestehenden Beziehung leben lässt, scheinen die jüngeren eher den Wunsch zu haben, eine monogame Beziehung zu führen. Da stellte sich dann aber heraus, dass die bisexuelle Partnerin, der bisexuelle Partner umso mehr Wert darauf legt, die bisexuelle Identität zu bewahren, obschon die andere Seite ihrer (respektive seiner) Sexualität im Moment nicht gelebt werden kann, weil sonst die Monogamie in Frage gestellt würde. Offensichtlich lässt es sich mit einer in der Beziehung geouteten Bisexualität sehr gut leben, die Beziehung gewinnt an Lebendigkeit und Tiefe, wenn das Thema nicht verdrängt, sondern offen besprochen werden kann. Das Coming-Out im näheren Familien- und Freundeskreis, so wie am Arbeitsplatz gestaltet sich jedoch heikel. Vor allem für die Partnerinnen und Partner Bisexueller, für die es schwierig ist, vorurteilsfreie Gesprächspartnerinnen zu finden, die nicht im ersten Atemzug zur Trennung raten. Es sind in unserer Gesellschaft noch zu wenig positive Bilder bisexueller Menschen bekannt. Da hat die Bisexuellen-Bewegung gegenüber den Lesben und Schwulen eindeutig einen Nachholbedarf.


    Es fand ein reger Austausch von Lebensgeschichten und –Situationen statt und so haben wir uns entschlossen, den nächsten erweiterten Bi-Treff anzukündigen.


    Nächster erweiterter Bi-Treff mit Angehörigen und Freundinnen/Freunden
    Samstag, 08. November 2014, 18:00 im HAZ-Centro, Sihlquai 67, 3. Stock, 8005 Zürich 

    Lieber Louis


    Danke für Deine Offenheit und das Vertrauen, dass Du unserem Forum entgegenbringst.


    Ich kann Dich sehr gut verstehen, war ich doch vor etwa fünf Jahren in einer ganz ähnlichen Situation wie Du. Ich lernte damals meinen jetzigen Freund kennen. Wir waren beide verheiratet und haben beide Kinder. Mein Sohn war allerdings schon 20, die Kinder meines Freundes waren wesentlich jünger. Es war ein richtiggehendes „Coup de Foudre“ (Liebe auf den ersten Blick) für mich, und auch mein Freund entwickelte bald sehr starke Gefühle für mich.


    Meine Frau, die von Anfang an von dieser neuen Begegnung wusste, ertrug dies nicht, und wollte sich so bald als möglich scheiden lassen. Wir trennten uns, und so lebte ich alleine, so wie Du offensichtlich auch.


    Mein Freund brauchte einige Zeit, bis er offen mit seiner Frau sprechen konnte, und sie reagierte anfänglich auch mit Verständnis. So kam es, dass ich fast zwei Jahre lang in einer ähnlichen Situation war, wie Du es zu sein scheinst. Es ging mir wie Dir. So vieles in mir wurde lebendig und farbig durch diese Verliebtheit, doch die Zeiten in denen ich alleine war fühlten sich grau und schal an, ich hatte unendliche Sehnsucht nach meinem Freund und es schien mir, dass ich ohne ihn gar keine Lebensfreude mehr finden konnte, es in den Zwischenzeiten für mich nur noch ums Überleben ging, ich gar nicht mehr fähig war, glücklich und zufrieden mein Leben ohne ihn zu leben.


    Ich war mir auch über mehr als zwei Jahre nie sicher, ob er sich zu Gunsten seiner Familie nicht doch gegen unsere Liebe entscheiden würde, lebte also in steter Ungewissheit. Wir hatten mehrere Krisen, in denen wir uns trennten, um dann nach einiger Zeit doch wieder zusammenzufiden.


    Ich erzähle Dir dies alles, um Dir zu zeigen, dass ich Deinen momentanen Gefühlszustand durchaus verstehe und nachvollziehen kann, und möchte Dir aufzeigen, wie ich es geschafft habe, zu mir selber und meinem inneren Gleichgewicht zurückzufinden.


    Das Erste was ich lernen musste, ist für mich selber gut zu sorgen, in den Zeiten, in denen ich alleine war. Sorgfältig für mich einzukaufen, damit ich alles im Hause hatte, was es braucht, genauso wie ich das früher für meine Familie gemacht habe. Ich lernte für mich selber so gut und sorgfältig zu kochen, wie ich das für andere Menschen stets getan habe. Ich lernte mir meine Umgebung so zu gestalten, dass ich mich darin wohlfühlen konnte, habe mich bescheiden aber schön eingerichtet, aufgeräumt und geputzt, mich selber gepflegt. Dieses für mich selber sorgen zu können gibt mir noch heute das Gefühl von Unabhängigkeit und Selbständigkeit.


    Dann habe ich angefangen, mich nach Aussen zu richten. Habe Gruppierungen und Menschen gesucht, die spezifische Interessen mit mir teilen, wie z. B. die Bi-Gruppe, die ich seit Jahren leite, aber auch Engagements im alternativ-politischen Bereich.


    So habe ich gelernt, die Zeiten, die ich nicht mit meinem Freund zusammen sein konnte zu überbrücken, und dabei zufrieden und ausgefüllt zu sein.


    Wir verbringen zwar sehr viel Zeit miteinander, und unternehmen auch viel zusammen, aber wir leben immer noch getrennt. Das heisst ich in einer Wohngemeinschaft, und mein Freund in einer Wohnung. Seine Kinder sind sehr viel bei ihm, und er unternimmt mit ihnen auch ohne mich immer wieder Ausflüge und kurze Ferien und ist auch sonst manchmal gerne mit den Kindern alleine oder ganz für sich, damit er Liegengebliebenes aufarbeiten kann, oder mal für sich ganz alleine, unabhängig von mir, ein Erfolgserlebnis hat.


    Ich habe mich immer wieder gefragt, wieso ich mir ausgerechnet einen Freund gesucht habe, der immer wieder „keine Zeit für mich hat“, andere Prioritäten setzt als unser Zusammensein. Oft ärgere ich mich über mich selber, wenn ich in so einer Zeit depressiv herumhänge und ein Gefühl von Lust- und Mutlosigkeit aufkommt. Ich denke, dass das was ich in dieser Beziehung lernen musste, und immer noch am Lernen bin, ist die Tatsache, dass die Beziehung zu mir selber die einzig „sichere“ Beziehung ist. Die einzige, die mir ein Leben lang bleibt, und dass ich die ausbauen und verstärken muss, ohne dabei bitter oder zynisch zu werden. Denn es gehört zu jeder Beziehung, dass es Phasen der Nähe und Distanz gibt, und es wichtig ist, dass sie wie Wellen kommen und gehen dürfen, damit eine Beziehung lebendig bleibt, auch wenn die Verliebtheit sich langsam in Liebe wandelt.


    Ich hoffe, dass ich Dir mit meinen Ausführungen zeigen konnte, dass es durchaus einen Weg aus Deinem jetzigen Dilemma gibt. Es ist zwar ein schwieriger, denn es ist Arbeit an sich selber, und das Aufgeben der Meinung, dass der Andere sich so ändern sollte, oder so verhalten, dass man selber „glücklich“ wird. Ich habe begriffen, dass es niemanden zu geben braucht, der meine Bedürfnisse befriedigt. Dass es aber wunderbar und bereichernd ist, mit anderen Menschen in Beziehung zu stehen. Besonders wenn dies eine Liebesbeziehung ist.


    Ich wünsche Dir alles Gute


    Peter

    Lieber Bimy


    Für mich liegt der Reiz einer gleichgeschlechtlichen Begegnung in dem Vertraut-Sein. Gerade die Gleichgeschlechtlichkeit erlebe ich als Chance, einem Menschen ausserordentlich nahe zu kommen, nicht nur auf der sexuellen Ebene, nein auch auf der seelisch geistigen, und das drückt sich dann wiederum in einer besonders intensiven körperlichen Begenung aus.


    Natürlich heisst das nicht, dass "alle Männer gleich" sind, die Persönlichkeit des Anderen zu erleben, zu akzeptieren und lieben zu lernen spielt auch in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung für mich eine zentrale Rolle, genauso wie in einer heterosexuellen. Aber mir scheint der Zugang, und der Umgang direkter. Was nicht heisst, dass da nicht auch Schwierigkeiten auftauchen. Aber sie haben einen anderen Charakter.


    Kannst Du mit dieser Antwort etwas anfangen?


    Wie erlebst Du das?


    Herzliche Grüsse und alles Gute


    Peter

    Lieber Matze


    Danke für Deine Offenheit in der Du Deine Situation beschreibst. Was mir dabei besonders auffällt ist die Diskrepanz dessen was Du im Alltag erlebst und was sich in Deinen sexuellen Fantasien abspielt. Es ist eine schwierige Situation, wenn das was man lebt, oder sich Mühe gibt zu leben, nicht mit dem übereinstimmt, was an Wunschvorstellungen da ist. Das lässt einem, so wie in Deinem Fall, verständlicherweise an der eigenen Identität zweifeln. Du bist auch noch jung, das heisst Identitätsfindung gehört zu Deinem Alter, und ist nicht einfach, wenn man in seinen Wünschen nicht dem entspricht, was einem als Normalität vorgegaukelt wird.


    Identitätsfindung ist jedoch nicht etwas was nur in Gedanken oder im Kopf stattfindet. Zur wirklichen Findung gehören ausser Gedanken, Wünschen und Vorstellungen auch Erfahrungen. Denn oft fühlt sich die Erfüllung eines Wunsches dann ganz anders an, als dass es in den Fantasien der Fall war.


    Es gehört viel Mut dazu, sich mit dem, was an Begehren in einem lebt, einem anderen Menschen zu öffnen. Trotzdem würde ich Dir empfehlen, zu versuchen das was in Dir lebt vorsichtig und bedacht in Dein reales Leben einfliessen zu lassen. In Deinem Alltag offen zu sein für Begegnungen, sei dies zu Frauen oder zu Männern. Je unverkrampfter und unbelasteter dies gelingt, desto eher findest Du über das Erlebte zu Dir selbst und zu deiner Identität. Versuche möglichst nicht, Dich im Voraus festzulegen, ob Du nun hetero- bi- oder homosexuell bist.


    Ich wünsche Dir alles Gute


    Herzliche Grüsse Peter

    Lileber Binoy


    Herzlich willkommen im Bi-Forum und danke für Deine Offenheit in der Du Deine Geschichte schilderst.


    Ich lese, zum Teil explizit, zum Teil zwischen den Zeilen, verschiedene Themen, die ich gerne hier ansprechen möchte.


    Als erstes ist mir aufgefallen, dass Dein Freund und Du eine wesentliche Erfahrungsebene gemeinsam habt, nähmlich die, dass beide in früheren Männerbeziehungen arg enttäuscht wurden.


    Zweitens habt ihr gemeinsam, dass ihr Euch nach diesen Enttäuschungen die Beziehung zu einer Frau gewünscht, und dies dann auch in die Tat umgesetzt habt. Dies erinnert mich stark an meine eigenen Erfahrungen, die ich als junger Mensch machte. Ich hatte auch immer abwechsungsweise eine Beziehung zu einer Frau, dann einem Mann, und wenn dies schief lief, wieder zu einer Frau, die mir das zu bieten schien, was ich in einer Männerbeziehung so schmerzlich vermisste: das Gefühl von Sicherheit und Konstanz in der Geborgenheit. Vor allem fühlte ich mich als verheirateter Mann und Vater über eine lange Zeit sehr wohl und ausgefüllt, war ganz auf die Familie konzentriert und es war sehr schmerzhaft und schwierig, diese Familie aufgeben zu müssen. Trotzdem war und ist für mich der Zugang zu einem Mann viel einfacher, viel direkter, und wenn ich ehrlich bin auch intensiver.


    Ich begreife Deinen Freud sehr gut, wenn er seine Beziehung zu seiner Partnerin nicht gefährden will und sagt, er brauche beides. Ich verstehe auch Dich sehr gut, wenn Du schreibst, dass Du keine Scheidung möchtest. Ist es richtig, dass jeder von Euch sich zwar die Intensität einer gleichgeschlechtlichen Beziehung wünscht, gleichzeitig aber aus dem erstgenannten Grund auch Angst davor hat, dass sich die schmerzhaften Erfahrungen früherer Männerbeziehungen wiederholen könnten?


    Dies wären also schon zwei Punkte, die ich zu erkennen glaube, in denen Ihr Euch sehr ähnlich seid. Wenn dies so ist, dann ist auch sehr verständlich, dass Ihr Euch so intensiv näher kommen konntet, und wie ich aus dem Gelesenen vermute, auch tüchtig ineinander verliebt habt. Denn mit so viel Gemeinsamkeit ist eine das Wesentliche ansprechende Begegnung sehr verständlich.


    Problematisch scheint mir der dritte Punkt, der mir aufgefallen ist. Offensichtlich habt ihr bereits, wie das oft in Beziehungen ist, eine Rollenverteilung gemacht. Du scheinst den Part zu vertreten, der sich öfter und mehr Nähe wünscht, und Dein Freund war eher in der Rolle dessen, der sich abgrenzt. Dies aber nicht eindeutig tut, das heisst doch jeden Tag chatten möchte, obwohl der Dich nicht häufig sehen will. Hier sehe ich zwei Probleme.


    Das Eine Problem ist die Doppelbotschaft, die Dein Freund aussendet, wenn er zwar jeden Tag mir Dir chatten möchte, Dich aber nur selten sehen, aus welchen Gründen auch immer, aus Angst vor Entdeckung durch seine Partnerin und den Folgen davon, oder aus Angst, sich tiefer auf Dich einzulassen. Solche Doppelbotschaften halten den Empfänger ständig in der Ungewissheit und in der Schwebe. Man hat nicht festen Boden unter den Füssen, sondern bestenfalls einen schwebenden Teppich, der manchmal hart aufsetzt und der einem auch ständig droht unter den Füssen weggezogen zu werden. Hier ist es sehr wichtig, dass man den Boden, den man unter den Füssen hat, selber erarbeitet, oder erarbeitet hat, und die Stabilität nicht von einem anderen Menschen abhängig ist. Dies ist keine leichte Aufgabe, es bedeutet Arbeit an sich selbst.


    Das andere Problem scheint mir die Rollenverteilung. Dr. Jürg Willi nennt dies in seinem Buch "Die Zweierbeziehung" eine Kollusion. Das heisst, dass sich Rollen verfestigen und nur noch sehr schwierig aufzulösen sind. Ich vermute, dass dies Deine Frage ist, die Du stellst, wenn du wissen möchtest, ob es richtig ist, dass Du eine Kommunikationspause einlegen möchtest in Eurer Beziehung. Klar ist, dass Du damit aus Deiner Rolle gehst, in der Du der Wartende und Fordernde bist. Dies kann sehr heilsam sein für eine Beziehung. Deine Vermutung, und Deine Hoffnung, dass Dein Freund dann endlich einmal merkt, wie sehr er Dich vermisst, und daraus heraus von sich aus mit Dir Kontakt aufnimmt, mag zutreffen. Es ist aber nicht sicher. Kein Mensch kann voraussagen, wie der andere reagiert. Er könnte auch verletzt sein, und sich ganz verschliessen - wenn auch nur vorübergehend, wenn es ihm so ernst ist mit Eurer Beziehung wie mir scheint, dass es Dir ist. Es ist aber, wie ich aus eigeger Erfahrung weiss, auch sehr schwierig, die Zeit auszuhalten als Wartender. Aus meiner Erfahrung läuft es halt wie mit "dem Boden unter den Füssen" darauf hinaus, dass man sich selber zum Mittelpunkt seines Lebens machen muss, und nicht einen anderen Menschen. Also wieder Arbeit an sich selbst. So gefestigt kann man dem anderen auch besser und unbelasteter begegnen und das Miteinandersein geniessen.


    Ich möchte Dich ermutigen, Dich weiter auf diesen Weg einzulassen. Er lohnt sich. Es ist ein kostbares Gut, einem Menschen so intensiv begegnen zu dürfen, wie dies offensichtlich zwischen Dir und Deinem Freund geschieht. Es ist aber auch ein Lernprozess, der einem oft an die Grenzen bringt. Denn einfach ist Bisexualität nicht zu leben in unserer gesellschaftlichen Realität.


    Ich selber bin nun seit drei Jahren geschieden und darf seit vier Jahren eine intensive, manchmal auch konfliktreiche Beziehung zu einem Mann leben, mit dem mich viele schwierige aber auch sehr schöne Erfahrungen und Erlebnisse verbinden. Und ich bin sehr dankbar dafür. Deshalb auch meine positive Haltung dem gegenüber was Du beschreibst.


    Ich wünsche Dir alles Gute, und viel Gelduld mit Dir selber und auch mit Deinem Freund.


    Peter

    Gerne gebe ich hier meine persönliche Ansicht, wie Bisexualität entsteht von mir. Möchte aber betonen, dass es sich dabei nicht um eine allgemeingültige Theorie handelt, die ich versuche wiederzugeben, sondern um das was ich mir selbst aus meinen eigenen Erfahrungen und aus dem was ich bisher gehört und gelesen habe zusammengeschustert habe:


    Ich persönlich glaube, dass man die Frage eher umgekehrt stellen sollte, nämlich, wie Bisexualität verhindert wird.


    Laut Sigmund Freud sind wir bei unserer Geburt bisexuell, denn wir geniessen die seelische und körperliche Nähe von Vater und Mutter gleichermassen. Dass hier von Sexualität die Rede ist, ist relativ heikel, denn gemeint ist die frühkindliche Körperlichkeit, das heisst das unschuldige Lustempfinden eines Kindes, nicht eines Erwachsenen. Denn dieses ist noch nicht geschlechtlich ausgerichtet, das Kind selber hat ja in dieser Phase noch gar keine geschlechtliche Identität.


    Es ist gerade die Identitätsfindung, die hier die ersten Ansätze zur Verleugnung der Bisexualität bringt. Definiert sich nämlich ein Kind als männlich oder weiblich, fängt es an, sich mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil, respektive den gleichgeschlechtlichen Menschen in seiner Umgebung zu identifizieren, oder versucht es zumindest. Widersprechen die Vorbilder jedoch dem inneren Empfinden, kann dies zu einem ersten Konflikt der eigenen Geschlechtsidentität führen. Etwa zu dem Gefühl und Gedanken, so möchte ich einmal ganz bestimmt nicht werden. Man sagt mir, ich sei als Junge oder als Mädchen geboren und würde einmal zum Mann, respektive zur Frau, aber das was ich da als solches wahrnehme, möchte ich nicht.


    Dabei gehört es in unserer Gesellschaft dazu, dass mit der Geschlechtsidentität auch gleich die sexuelle Ausrichtung vermittelt wird, und die ist in den meisten Fällen heterosexuell. Ein Mann begehrt eine Frau, eine Frau begehrt einen Mann, und damit basta. In Konfessionen gebundene Erwachsene neigen darüber hinaus dazu, Sexualität an sich zu tabuisieren, und erst recht, dass ein Knabe die körperliche Nähe, Zärtlichkeit und Geborgenheit bei einem Mann suchen könnte, oder bei anderen Knaben, damit ist hier schon ein deutlicher Ansatz da, Bisexualität zu verschweigen und zu unterdrücken.


    Bei Mädchen ist das weniger deutlich, denn Mamma ist zärtlich mit der kleinen Prinzessin und sie darf sich an sie kuscheln, sowie der gegengeschlechtliche kleine Prinz auch. Auch sind zwei Mädchen, die auf dem Schulhof Händchen halten, Arm in Arm gehen und sich beim Ausruhen aneinander kuscheln in den Augen der meisten, auch bei religiös prüden Menschen, nichts anderes als „herzig“. Sollten zwei Jungen dies aus einem echten Bedürfnis miteinander tun, kommt sehr bald die Bemerkung, das tue man doch nicht, ob man denn schwul sei. – Dies ist übrigens keine Theorie, das habe ich als etwa zehnjähriger durchaus selber erlebt.


    Vielleicht ist dieser Unterschied in der Kindheit der Grund, dass es viel mehr Frauen gibt, die ihre Bisexualität als unproblematisch empfinden als Männer, und deshalb in Bi-Gesprächsgruppen und –Foren Frauen in der Minderzahl sind. Kommt noch dazu, dass es viele Heteromänner gibt, die den Anblick von zwei Frauen, die zärtlich miteinander sind, oder sogar Sexualität miteinander teilen, dies durchaus erotisch finden, weil sie neugierig sind, was denn Frauen miteinander so tun, was sie sich wirklich wünschen, sie sich einen Blick hinter die Kulissen der Weiblichkeit davon versprechen. Es melden sich in der Bi-Gruppe immer wieder heterosexuelle Männer, die Freude an einer bisexuellen Freundin hätten.


    Ganz anders beim Anblick von zwei zärtlichen Männern. Erstens sind Männer nicht zärtlich, und schon gar nicht miteinander, denn normal ist, dass zwei Männer in Konkurrenz gehen zueinander, und ihre Kräfte aneinander messen, da ist kein Platz für Kuschelidyllen, höchstens noch für Ringkämpfe. Da wir Männer also schon in frühester Kindheit erleben, dass jedes zärtliche Gefühl, jede Sehnsucht nach körperlicher Nähe zu einem anderen Mann uns Ächtung und Verachtung einbringt, unterdrücken die meisten von uns solche Neigungen, das heisst die Bisexualität.


    Im Extremfall entsteht daraus sogar eine Homophobie, das heisst die Darstellung oder Gegenwart männlicher gleichgeschlechtlicher Zärtlichkeit oder Körperlichkeit ruft sofort die Angst auf, ähnliche Gefühle bei sich zu entdecken und in den Bann der über allem Schwulen hängt zu geraten. Da schlägt Mann lieber einmal kräftig zu und beweist sich und seinen Heterokollegen seine unanfechtbare Männlichkeit.


    Entdeckt ein jugendlicher Mensch in seiner Pubertät bei sich Gefühle oder Faszination dem gleichen Geschlecht gegenüber, gerät er in den meisten Fällen zuerst einmal in einen Gewissenskonflikt der entweder dazu führt, dass er sie unterdrückt oder sich früher oder später outet, wenn der Leidensdruck zu gross wird.


    Laut Kinsey gibt es zwischen 100 % heterosexueller und 100% homosexueller Ausrichtung jede Schattierung, und zwar ziemlich gleichmässig für jeden Prozentsatz. Also müsste eigentlich ein 99 % heterosexueller Mensch sich bereits als bisexuell bezeichnen, weil ja 1 % homosexuelle Anziehung die Eindeutigkeit seiner Ausrichtung bereits in Frage stellt. Bisexualität müsste eigentlich in unserer Gesellschaft ein viel grösseres Thema sein als Homosexualiät, ist sie aber nicht, darum drehe ich die Frage um, nicht wie Bisexualität entsteht ist relevant, sondern wie sie unterdrückt und verschwiegen wird.


    Ein weiteres Problem ist meiner Meinung nach die Sexualisierung in unserer (Un-)Kultur, und vor allem bei uns Männern fördert sie die Berührungsangst. Nicht nur die körperliche, sondern auch die seelische Nähe. Nähe ist jedoch das Gegenteil von Isolation, und Isolation ist in unserer heutigen westlichen Gesellschaft mit ihren Wohnsilos und Einfamilienhäuschenidyllen der Normalzustand. Das glückliche (hetrosexuelle) Paar wird in die Enge getrieben. Ausser ihrer (heterosexuellen) Nähe gibt es keine andere, auch keine seelische. Das Bedürfnis, sich auszutauschen ist vor allem unter Männern schon bereits anrüchig. So beschränken sie sich auf frauen- und schwulenfeindliche Zoten in Männerrunden, oder die Frauen in Oberflächlichkeiten beim Kaffeeklatsch und Tupperwareparties. Diese Unterdrückung des Bedürfnisses nach gleichgeschlechtlicher Nähe führt jedoch, je deutlicher der sogenannt bisexuelle Anteil der Psyche ist, zu einem Leidensdruck.


    Dieser Leidensdruck kann dann zur Bewusstwerdung der eigenen bisexuellen Neigung führen. Entweder zum Bedürfnis nach intensivem Austausch mit gleichgeschlechtlichen Menschen im Gespräch und der emotionalen Nähe. Oft aber wird die Sexualität abgespalten und es entsteht eine Faszination der gleichgeschlechtlichen körperlichen Attribute. So ist zu beobachten, dass oft bei Männern das Geschlechtsteil oder der kräftige Körperbau anderer Männer zur Obsession wird, und sie glauben, sich nur für dieses, nicht aber für den ganzen Menschen zu interessieren. Diese Abspaltung ist fatal, denn sie reduziert die Begegnung ausschliesslich auf das Sexuelle, geht also am Eigentlichen vorbei, nämlich an der seelischen und emotionalen Wirklichkeit und reduziert die Bisexualität auf Sexualität.


    Ob Bisexualität in das Bewusstsein eines Menschen kommt hängt einerseits davon ab, wie (prozentual) ausgeprägt diese Veranlagung ist, andererseits wie die Lebensumstände sind. Es kann durchaus vorkommen, und das war auch bei mir der Fall, dass das Erleben mit einem Partner, aber auch mit einer Partnerin dazu führte, mich jeweils wieder dem anderen Geschlecht zuzuwenden, so pendelte ich in jungen Jahren stets von einer Hetero- in eine Homo-Beziehung und wieder zurück, in der Illusion, dass die nächste Beziehung einfacher und befriedigender sein werde. Allerdings bezeichnete ich mich damals nicht als bisexuell, sondern war von dem was ich tat, und der Beziehung die ich gerade hatte, so überzeugt, dass ich mich jeweils als Hetero oder Schwuler bezeichnete. Erst heute habe ich begriffen, dass beide Seiten zu meinem Sein gehören und bezeichne mich als bisexuell.


    Bisexualität ist bei mir also nicht entstanden, sondern ich habe sie zugelassen.