Beiträge von Djali

    Natürlich kannst du das mit 15 schon wissen. Es gibt Leute, die entdecken ihre sexuelle Orientierung mit 5, andere mit 50. Die Pubertät ist wahrscheinlich das häufigste Alter, in dem man erkennt, für Angehörige welchen Geschlechts man romantische Gefühle oder sexuelles Begehren empfinden kann. Mit der Erfahrung, die man hat oder eben nich hat, hat das nichts zu tun.


    Manche Menschen vertreten den Standpunkt, die sexuelle Orientierung sei nicht fest, sondern könne sich im Laufe des Lebens verändern. Aus dieser Perspektive kannst du es so sehen: Im Moment bist du bisexuell, in zehn Jahren vielleicht nicht mehr. Das ist auch okay.

    Hallo zusammen,


    das Video ist von 1997 und beinhaltet nur persönliche Meinungen und Erfahrungen. Was wusste man damals über die Entstehung von sexuellen Orientierungen? In den letzten 18 Jahren hat sich sehr viel getan. Wenn die Leute im Video behaupten, es sei eine Wahl, tun sie das vermutlich aus Ahnungslosigkeit. Wenn Bastian Baumann im Jahr 2015 behauptet, es wäre angeboren, kann er sich vermutlich zumindest teilweise auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen, wenn auch nicht vollständig, wie er selbst sagt. Ich möchte außerdem betonen, dass "Wahl" und "Angeboren" nicht die einzigen Möglichkeiten sind. Meines Wissens nach wird mittlerweile von den meisten Wissenschaftern die These vertreten, dass es eine Mischung aus genetischen Faktoren und kindlicher Prägung ist. Die kindliche Prägung sucht sich niemand aus, aber sie ist genausowenig angeboren.


    Der Behauptung, nichttraditionelle sexuelle Orientierungen seien "unnatürlich", entgegne ich mit einem anderen Argument: Homosexualität wurde bereits sehr oft in der freien Natur beobachtet. Wie kann man etwas, das in der freien Natur vorkommt, als "unnatürlich" bezeichnen? Jemand, der das tut, hat entweder ein total idiotisches Konzept von "Natürlichkeit" oder keine Ahnung (vermutlich beides). Außerdem ist es bescheuert, von "natürlich" oder "unnatürlich" auf eine Wertigkeit zu schließen. Vergewaltigung ist natürlich: Es gibt eine Nagerart, in der Männer neugeborene Weibchen vergewaltigen um sie zu schwängern bevor sie ihre erste Regel haben, Katzen spielen mit ihren gefangenen Mäusen und verlängern so unnötig deren Leiden, gleichzeitig sind so praktische Erfindungen wie Autos oder das Internet unnatürlich, wie kann man also behaupten, "Natürlichkeit" wäre ein Indikator dafür, ob etwas "gut" ist?
    Ich persönlich würde unabgesicherten Behauptungen nicht mit unabgesicherten Behauptungen kontern, aber ich sehe ein, dass das bei manchen Leuten eine gute Methode ist, ihnen zu entgegnen.


    Bastian, der sich nach seit vielen Jahren mit voller Energie für LGBT-Rechte einsetzt, mit Huonder zu vergleichen, der gegen alles hetzt was nicht "katholisch" ist, ist schon sehr beleidigend und unangebracht. Den Vergleich "sexuelle Orientierung und Religiösität" finde ich hingegen interessant. Ich denke, beides kann man sich nicht aussuchen. Wers mir nicht glaubt, soll mal ernsthaft versuchen, das Matterhorn anzubeten. Ich habe eine Bekannte, die lange ernsthaft versucht hat, gläubig zu sein, aber sie hat es nicht geschafft. Ich wurde religiös erzogen und ich habe es nicht geschafft, z.B. vom Gefühl dass Gotteslästerung per se falsch ist, vollständig abzukommen, wie es meiner eigentlichen Überzeugung entsprechen würde. Es würde mich wundern, wenn Religion eine nennenswerte genetische Veranlagung hätte, wie sie bei Homosexualität schon fast gesichert ist, aber frühkindliche Prägung spielt sicher eine sehr große Rolle. Beides wird dazu benutzt, eigenes falsches Verhalten als moralisch gerechtfertigt zu behaupten, nur in seeehr unterschiedlichen Dimensionen: Mit dem Alibi der Religion werden ganze Völker ermordet, mit dem Alibi der sexuellen Orientierung werden manchmal Partner betrogen. Wegen beidem werden an vielen Orten der Erde Menschen verfolgt, trotzdem ist nur die Religion ein Asylgrund in der Schweiz.


    Soviel zu meinem Senf...


    Liebe Grüße,
    Djali

    Eine bisexuelle Iranerin in New York, die nach der Trennung von ihrer Freundin Maxine versucht, ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. In vielen Rückblenden wird die Beziehungsgeschichte mit Maxine beleuchtet.


    Hallo Schutzraum,


    vielen Dank für diese Betrachtung.


    Zuallererst möchte ich sagen: Wann du Liebe empfindest und wann nicht stellst du, und nur du, fest. Natürlich kann man im Prinzip mehrere Personen zur selben Zeit lieben. Wenn Liebe für dich etwas anderes ist als für die meisten anderen Menschen ist das nicht krank.


    Hast du deine Frage bereits in einem Asexuellenforum gepostet? Ich denke, was du beschreibst, würde dort sehr gut hinpassen.


    Viel Glück,
    Djali

    Liebe lati,


    Harus Worte klingen hart, aber ich kann ihr leider nur in jedem Punkt zustimmen.


    Wie verträgst du dich mit ihrer Familie? Vielleicht könntest du ihnen sagen (nachdem du Schluss gemacht hast), dass ihr euch furchtbar gestritten habt (z.B. wegen eines Jungen - wäre nicht mal sooo gelogen), es ihr deshalb nicht gut geht und sie doch bitte auf sie schauen sollen. Den Grund für den Streit müssen sie auch gar nicht erfahren.


    Sie muss dich aus der Beziehung rauslassen. Auch wenn ihr euch nicht aus dem Weg gehen könnt.


    Du sagst, dass du keine Freunde hast. Das ist traurig, aber änderbar. Hast du schon einmal nach einer LGBT-Jugendgruppe in deiner Nähe gesucht? Als ich vor vielen Jahren in die Schweiz gekommen bin, hatte ich hier auch keine Freunde und kannte keine Gleichgesinnte. Dass sich mein Sozialleben sehr zum besseren gewandt hat, habe ich vor allem genau so einer Gruppe und purplemoon zu verdanken.


    Alles Liebe,
    Djali

    Ich hab ihn zufällig gesehen, als er auf Arte ausgestrahlt wurde. Die Dialogarmut macht es mir schwer, mich in die Personen hineinzuversetzen. Trotzdem würde ich den Film weiterempfehlen :-)

    Ein Tabu bleibt nur so lange ein Tabu, bis Leute darüber sprechen (okay, ich vernachlässige jetzt den Unterschied zwischen Sprach- und Handlungstabus). Genau das ist also unsere "Aufgabe", wenn wir "uns" enttabuisieren wollen: Im Umfeld, in der Verwandtschaft, im Bekanntenkreis, wenns passt, Bisexualität locker ansprechen. Ob missionarisch oder nicht, hängt vom Thema ab. Ich mache das immer wieder im Alltag (kürzlich ein Dialog, ursprünglich über meinen Beruf: "...as happened with my girlfriend." - "you are gay?" - "bisexual"). Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute, die sonst nie etwas privates von mir gefragt haben, plötzlich interessiert werden ("Gibts's da Präferenzen?", "Häsch des scho immer gwisst?"). Ich bin mir nicht sicher, wie ich dieses Interesse einordnen soll: Einerseits freut mich die Neugierde am Thema, andererseits ist es auch ein bisschen respektlos (man kann mich über mein ganzes Privatleben ausfragen, weil ich ja von der Norm abweiche). Ich bin allerdings offen genug, größtenteils den ersten Aspekt zu sehen und so Aufklärungsarbeit zu betreiben, auch dann, wenn mein Gegenüber eine intolerante Haltung aufweist. Ehrlich gesagt macht es dann sogar am meisten Spaß :-).


    Die Frage, ob Bisexualität ein Tabu ist, ist sicherlich interessant - dennoch möchte ich sie ignorieren. Für mich ist sie das Normalste der Welt, aber wenn nicht einmal wir sie so behandeln, wer dann?

    Liebe Scheila,


    ich kann deinen Ärger verstehen. Ich habe mich auch oft daran genervt, dass nicht nur außerhalb, sondern auch unter Bisexuellen die Themen Untreue bzw. Polyamourie dominieren, dass auf einem Flyer für eine Bigruppe der Umgang mit Treue in einer Beziehung prominent erwähnt wurde, etc. Für mich war selbstverständlich, dass ich nur treue Beziehungen möchte und hatte die Befürchtung, auf das Vorurteil zu treffen, ich könne nicht treu sein.


    An einem Punkt muss ich dir widersprechen: Du sagst "beides zu wollen" habe nichts mit der Orientierung zu tun. Offensichtlich kann nur jemand, den man als "bisexuell" bezeichnen würde, "beides wollen". (Ich sage bewusst nicht "ein Bisexueller", da ich mir der Problematik des Fremdlabelings bewusst bin und, wie in einem anderen Thema angesprochen, wollen sich viele nicht als bi bezeichnen, auch wenn sie unter eine gängige Definition fallen würden). Leider verstehen zu viele Leute den Unterschied zwischen Implikation und Äquivalenz nicht. Dass alle Bisexuellen beides wollen, ist ein unzulässiger Umkehrschluss und wenn Leute diesen Fehler begehen, kann man wohl nur genervt mit den Augen rollen und zur Abwechlung wieder einmal ein bisschen Aufklärungsarbeit in sexueller Orientierung und grundlegender Aussagenlogik machen.


    Wie du selbst sagst, haben auch viele Heterosexuelle und Homosexuelle Affären. Ich weiß nicht, ob ich glauben soll, dass polyamouröse Tendenzen unter Bisexuellen einfach verbreiteter sind als unter anderen. Hier habe ich keine Ahnung und konsequenterweise keine Meinung :-). Ich vermute aber, dass Bisexuelle, weil sie sich bereits einen sehr großen Konflikt mit traditionellen Beziehungsvorstellungen eingestanden haben, geneigter sind, diese Vorstellungen noch ein bisschen (viel) mehr aufzubrechen. Das ist etwas, das ich mittlerweile begrüße, denn wenn eine Gesellschaft so frei wie möglich von sexuellen Normen ist, kann der Einzelne einfacher herausfinden, was zu ihm passt.

    Lieber Guru,


    vielen Dank für deine Antwort. Es ist intereressant (besonders für mich, die ich noch jung und dumm bin ;-)) zu lesen, wie sich die Biographien anderer Bisexueller Leute entwickeln.


    So wie ich dich verstehe, war es bei dir nicht so, dass sich im Zuge deines inneren Coming Outs dir auch gleich eine bevorzugte Art herausentwickelt hast, diese zu leben. Ich verstehe deinen Text so, dass du nach deiner Trennung von deiner Frau nicht nach etwas Bestimmtem gestrebt hast, sondern mehr in den Situationen, in die dich das Leben geführt hat, dich zurechtgefunden hast. Dass du vielleicht Polyamourösität als dein "persönliches Ideal" siehst, aber eines, das unerreichbar ist (vielleicht ein bisschen so, wie ich irgendwann Beethovens Violinkonzert spielen möchte, aber so viel Talent hab ich einfach nicht).


    Ich möchte noch kurz darauf eingehen, dass das Wort "Ideal", das ich hier gern verwende, bitte nicht missverstanden wird: Ich rede keinesfalls von einer Art von Ideal, dass man auf andere Menschen übertragen kann oder möchte, sondern was man für sein eigenes Leben als, utopischer oder realistischer, "bester Fall" sieht.

    Ich frag mich, woran das liegt, dass in der Threaderöffnung gefragt wird, wer "beim Mann" geoutet ist. Wird da davon ausgegangen, dass bisexuelle Frauen zumeist in gegengeschlechtlichen Ehen leben?


    Ich hatte ein paar Männergeschichten (nur Männer, weils einfach einfacher zu bekommen ist - nicht, dass ich keine Frauen gewollt hätte), bis ich meine Freundin kennen gelernt und alles andere für eine treue Beziehung mit ihr abgebrochen habe. Sie weiß das alles und hatte nie Vorurteile gegenüber Bisexuellen.

    Danke für deine Antwort. Ich wünsche dir alles Gute mit deiner Therapie!


    Dabei ist mir aufgefallen, dass ich mein eigenes "Ideal" schuldig geblieben bin. Früher hätte ich mich klar zur zweiten von mir erwähnten Gruppe gezählt, wenn auch das "lebenslang" mit dem Kommentar "wenn ich reif dafür bin" versehen. Mittlerweile sehe ich das anders. Ich würde gerne meinem Partner alle Freiheiten lassen, und ich würde mir eine Situation wünschen, in der ich alle Freiheiten habe. Das heißt nicht, dass ich in meiner treuen Beziehung unglücklich bin, ich bin anpassungsfähig und wenn sie meine Treue will, dann bin ich ihr treu. Ich weiß nicht, ob ich für etwas Offenes überhaupt stark genug wäre. Mehrere Partner kann ich mir schwer vorstellen, da ich noch nie das Bedürfnis danach hatte. Aber gut, ich bin jung, viel kann noch passieren...

    Hallo zusammen


    Mich interessiert, wie andere Bisexuelle ihre Bisexualität wahrnehmen, welche Bedürfnisse sie haben und wie sie diese mit ihrem Partner oder ihren Partnern managen. Es gibt eine ganze Bandbreite von "ich will single bleiben, aber vögeln mit allem, was Homo Sapiens zu bieten hat" über "ich will eine treue lebenslange Beziehung mit einer einzigen Person beliebigen Geschlechts" bis "ich will offene Beziehungen mit mehreren Personen aller Geschlechtsidentitäten". Mich interessiert, wie diese "Modelle" unter den Bisexuellen verteilt sind, auch im Vergleich zu anderen sexuellen Orientierungen, wie sie es in die Realität umsetzen und wie sich ihre Idealvorstellungen über die Zeit ändern.


    Auf interessante Diskussionen,
    Djali

    Hallo,


    ich hab einen vielleicht naiven, aber, wie ich glaube, trotzdem nicht dummen Ansatz zur Frage, warum viele Frauen sich nicht als "bisexuell" bezeichnen wollen: Weil die anderen Begriffe ausdrucksstärker sind. Beziehungsweise, weil es sie gibt.


    Du nimmst als Beispiele:


    1. omnisexuell/pansexuell (ist glaub das gleiche, nur dass ersteres nicht Latein und Griechisch vermischt): man möchte zum Ausdruck bringen, dass man sich nicht nur in Männer und Frauen verlieben kann, sondern auch das ganze genderqueere Spektrum nicht von der Partnerwahl ausschließt. Damit gibt man zusätzlich zu verstehen, dass man die Vielfalt der Geschlechtsidentitäten anerkennt.


    2. hetero/homoflexibel: Das bedeutet, dass man eigentlich doch eher an einem bestimmten Ufer steht, aber ab und zu auch mal rüberschwimmt.


    Klar kann man ersteres als fast ident mit der Bisexualität und zweiteres als eine Unterform ansehen. Wenn sie jemand verwendet, heißt das vielleicht genau so wenig, dass sich die Person mit "bisexuell" unwohl fühlt, wie eine Person, die auf die Frage nach der Haarfarbe "dunkelbraun" antworted findet, Mittelbraunhaarige seien irgendwie stigmatisiert.


    Klar gibts Leute, die sich mit dem Begriff "bisexuell" unwohl fühlen. Aber, mal im Ernst, ist "homoflexibel" besser? Das stinkt doch gerade so nach "mit dem gleichen Geschlecht ja nix ernstes!". Oder ist "pansexuell" besser? Das klingt noch viel mehr nach "ich muss unbedingt, und wenn ich keinen Menschen finde, paar ich mich halt mit einer Ziege oder einem Baum!".