Ich reime mir das für mich selbst ungefähr so zusammen:
1. Es gibt wohl eine Veranlagung. Woher die genau kommt, weiss ich nicht. Jedenfalls war es mir schon früh klar, dass mich auch Mädchen interessieren (noch ohne zu ahnen, was das wirklich bedeutet).
2. Als zweites sehe ich Einflüsse in der Umwelt. Ich lernte in meinem Umfeld Schwule und Lesben kennen, hatte eine Jugendliebe zu einem Jungen, der sich später als schwul outete, etc. und mir wurde auch vom Elternhaus nichts Negatives über Schwule und Lesben vermittelt. Das erlaubte es mir, Verschiedenes auszuprobieren (für kurze Zeit auch eine Dreieckskonstellation, was mich emotional komplett überforderte) und den Schritt in eine Frauenbeziehung ohne grössere Krise zu machen. Als ich mit einer Frau zusammen war, ging ich am Anfang voll in dieser Beziehung auf, betrachtete mich als lesbisch und hatte das Gefühl, endlich Ruhe gefunden zu haben. Umso irritierender war es für mich, als ich nach ein paar Jahren feststellte, dass ich mich eben trotzdem noch immer für Männer interessierte. Und das konnte ich mir fast nur damit erklären, dass es wahrscheinlich doch so etwas wie eine Grundtendenz gibt.
3. Drittens schreckte mich das von Peter oben beschriebene Einfamilienhaus-Paarmodell ab, und das hat sicher auch dazu beigetragen, dass ich andere Formen ausprobieren wollte.
Vielleicht ist dieser Unterschied in der Kindheit der Grund, dass es viel mehr Frauen gibt, die ihre Bisexualität als unproblematisch empfinden als Männer
... viele Heteromänner gibt, die den Anblick von zwei Frauen, die zärtlich miteinander sind, oder sogar Sexualität miteinander teilen, dies durchaus erotisch finden
Dass es für Frauen einfacher ist, würde ich nur bedingt unterschreiben. Ich kann mir vorstellen, dass wir Frauen vielleicht andere Möglichkeiten haben uns auszutauchen (mit Freundinnen, Schwestern, etc.) und es deshalb vielleicht mehr Möglichkeiten gibt, das zu verarbeiten. Aber ein bi-Leben wirklich in die Tat umzusetzen, ist für Frauen ebenfalls schwierig. Ich bezweifle auch, dass Heteromänner wirklich so tolerant sind. Ich hatte zum Glück mit einer Ausnahme immer mit Männern zu tun, die schon einen Bezug zu Lesben und Schwulen hatten und deshalb keine Berühungsängste hatte. Als ich aber eine Beziehung zu einem Heteromann hatte, dem dieser Bezug fehlte, war er anfangs durchaus neugierig. Als ihm mit den Jahren dann aber bewusst wurde, dass ich früher mit einer Frau ZUSAMMENGELEBT und diese auch GELIEBT hatte und dass dies mit ihm rein gar nichts zu tun hatte, wurde er zunehmend intolerant und ich musste mich schliesslich von ihm trennen.