Coming out... das zweite

  • Der Sommer ist rum und der Urlaub mit meiner Frau (leider) auch.

    Die letzten Tage vor dem Urlaub wurden für mich immer länger und ich musste mich zusammenreißen, mich an meinen Plan zu halten.

    Aber ich hab durchgehalten und ihr am ersten Abend alles von mir erzählt.

    Erst war sie doch etwas geschockt, was sich dann aber legte und in endtäuschung wandelte, weil ich ihr das erst jetzt nach ca. 10 Jahren erzählte.

    Ich hoffte die darauf folgenden Tage auf Fragen rund um das Thema, doch diese blieben weitgehend aus. Scheinbar hatte ich ihr genug darüber erzählt und/oder sie wollte nichts mehr davon hören.

    Ich hatte ein bisschen angst, das sie meine Bi Seite verdrängen will, wobei ich aber durch mein Outing das Gegenteil bezwecken möchte,

    nämlich darüber offen zu sprechen.


    Aber trotz allem bewies sie mir wieder, sie ist die beste Frau, die ich mir wünschen kann. Denn mein bester Freund (auch Bi) besuchte mich für ein Wochenende wärend sie mit einer Freundin im Urlaub war. Für dieses Vertrauen bin ich ihr echt dankbar.

    Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung mich zu outen. Es geht zwar sonst keinen was an, was ich so an vorlieben hab, aber ich werde mich nicht mehr verstellen wenn es bei einem Gespräch mit anderen zum Thema Homo bzw Bisexualität geht.

    Fühlt sich echt gut an :):thumbup:

  • Wow. Bin echt beeindruckt von deinem Mut. Ich könnte das nicht. Ändern würde sich auch bei mir nur die Art und Weise wie offen ich mich zu dem Thema äussern kann. Aber dieses Thema ist eh rar, also...

    Viel Erfolg auch weiterhin. Und geniesse die Errungenschaft. ;)

  • Sorry für die späte Antwort. Hätte nicht gedacht dass jemand darauf reagiert....


    Ich kann das nicht eben weil ich nicht so mutig bin. Ich fürchte mich vor der Reaktion meiner Frau. Es würde ganz ähnlich wie bei dir ablaufen, denke ich. Aber sie würde sich ständig vor Veränderungen fürchten, auch wenn ich keine anstreben möchte. Selbstzweifel, vielleicht sogar Misstrauen würden sich breit machen. Und das mute ich ihr nicht zu, nicht mal wenn es nur in meiner Vorstellung so kommt.

    Mal abgesehen davon, wenn ich mich outen würde, wie würde sich das auf mich auswirken? Ich habe meine Lust auf Männer bisher ganz gut kaschieren können, egal wie stark das Verlangen war. Wahrscheinlich eben auch, oder vor allem, weil es ein Geheimnis bleiben muss. Könnte ich das noch wenn ich mich "befreit" habe? Oder würde ich vielleicht sogar Dummheiten begehen? - Ich weiss es nicht.

    Mit so viel Ungewissheit im Kopf traue ich mich nicht die heutige Situation zu verändern "nur" um offen darüber sprechen zu können. Dann doch lieber beim alten bleiben, das ja gar nicht schlecht ist, sondern nur nicht ganz vollständig...

  • "Dummheiten begehen" wäre ja einfacher, wenn sie noch nichts davon weiß.

    So hatte ich ihr das auch gesagt.

    Als offiziell Hetero ist ja nix dabei, wenn du Abends mit nem Kumpel unterwegs bist ;)

    Wenn es dir aber gut geht, dann will ich zu nichts drängen.


    Dieses "nicht ganz vollständig" ist genau das was mir fehlte. Ich hab da viele (ich sag mal feminine) Sachen, Eigenschaften oder verhaltensweisen an mir die ich immer unterdrückt hab.

    Aus angst mich zu outen weil diese dem

    Klischeebild eines "typischen" Schwulen entsprechen.

    Damit jetzt offen umgehen zu können, ist zwar auch erstmal ungewohnt

    aber auch sehr befreiend.

  • Als offiziell Hetero ist ja nix dabei, wenn du Abends mit nem Kumpel unterwegs bist ;)

    :P Oh ja, ich weiss was du meinst. Nur, ich habe keine Kumpels... ^^ Habe mir schon oft gedacht mir eine Bekanntschaft zu suchen, die mit mir gewisse Bedürfnisse teilt. Geile Vorstellung, mehr aber auch nicht...:huh:;)



    Ich hab da viele (ich sag mal feminine) Sachen, Eigenschaften oder verhaltensweisen an mir die ich immer unterdrückt hab.

    Aus angst mich zu outen weil diese dem

    Klischeebild eines "typischen" Schwulen entsprechen.

    Was wird jetzt wohl aus diesen unterdrückten Eigenschaften? Werden sie sich nun entfalten und entwickeln? Erstarken womöglich?

    Klar, die "Selbstfindung" sollte oberste Priorität haben. Aber Leute wie wir, die damit rückständig sind bzw. waren, haben sich trotzdem ein Leben aufgebaut. Und mit diesem "Befreiungsschlag" stehen Veränderungen in diesem Leben an. Und das ist es, was mir Angst macht. Vollständig oder nicht, es geht mir gut in diesem Leben. Jedenfalls kommt es mir so vor. Und an meinem Leben sind auch andere Menschen, geliebte, beteiligt...


    So gesehen frage ich mich warum ich mich immer wieder an solchen Diskussionen beteilige. Liegt vermutlich eben an dem Ungleichgewicht...

  • Du hast eben, wie ich, das Bedürfniss darüber zu reden

    und das ist ja, wie ich für mich festgestellt hab, genau der richtige Weg damit umzugehen.

    Alles was man so in sich reinfrisst muss irgendwann wieder raus (auch wenn es 10 Jahre dauert) dann aber kann es vieles kaputt machen.

  • Alles was man so in sich reinfrisst muss irgendwann wieder raus (auch wenn es 10 Jahre dauert) dann aber kann es vieles kaputt machen.

    Wie wahr, wie wahr. Ich weiss gar nicht, was und wie viel ich schon ich mich reingefressen habe. Merke es gar nicht mehr.

  • Ich habe mich auch dieses Jahr bei meiner Frau geoutet. Sie hat es zunächst recht locker genommen und war dankbar, dass ich ehrlich war. Sie hat mir sogar erlaubt einen Mann zu daten während sie in die Sauna gefahren ist, aber danach war alles anders. Sie versucht ständig mich von den Gedanken an Männer abzubringen.

    Das ist recht nervig, weil sie sich offensichtlich nicht in meine Lage versetzen kann. Ich kann die Fantasien nicht verdrängen. Es geht nicht.

    Jetzt habe ich ein echtes Problem und wünschte ich hätte es ihr nie erzählt.

    Dates werde ich nicht mehr haben, aber meine Gedanken sind frei, die lasse ich mir nicht mehr nehmen.

  • ich würde mich gern mit bi männern treffen zum diskutieren. ideal wäre eine diskussion mit einem paar wo er bi ist und die partnerin es akkzeptiert.

  • Hallo AntoniusII


    Es ist doch so, Aufrichtigkeit wird mit Ehrlichkeit gleichgesetzt. Aber trifft das zu? Kaum, nur schon weil es sonst keine zwei Begrifflichkeiten dafür gäbe. :)


    Einerseits gilt es Verständnis für "deine" Frau zu haben. Es geht für sie vermutlich um "viel", was auch immer das beinhaltet. Andererseits sehe ich immer öfter dass Sexismus keine Männerdomäne ist. Weiblicher Sexismus unterscheidet sich nur darin, dass er nicht so "primitiv" daher kommen kann, etwa mit Grabschen oder unverschämten Angeboten (tendenz ist allerdings zunehmend). Aber in den Köpfen vieler Frauen ist das Mannsbild fester eingeprägt als bei manch einem Mann das Bildnis einer Frau. Das hat vermutlich damit zu tun dass die Emanzipation in Feminismus überging, ohne dass es einen Gegenpol gab. Will heissen, niemand hat die Frauen aufgeklärt. Diese mangelhafte Aufklärung hindert aber den Mann genauso daran sich zu entfalten wie anno dazumal als die Männer den Frauen nichts zutrauten und sie nur schon darum klein hielten.

    Vielleicht hilft es da anzusetzen. Aufklärung zu leisten darüber, was ein Mann fühlt, was er begehren kann. Wie er fühlt und begehrt. Um begreiflich, fühlbar zu machen dass Frauen nicht per se die ultimative Lösung darstellen. Jedenfalls nicht für alle Männer... (dieses Verständnis würde auch den Frauen helfen die Emanzipation zu leben)


    Das klingt eher nach einer langfristigen Lösung. Aber auch kurzfristig können Emotionen, also Gefühle zeigen, viel bewirken. Erst recht bei Frauen, denn sie sind empfänglich dafür.


    Ich für meinen Teil bleibe dabei. Aufrichtigkeit trenne ich strikt von Ehrlichkeit. Wie du ja auch sagst: Die Gedanken sind frei. An denen hat sich niemand zu stören. Alles andere käme mir wie eine Beichte vor. Und den Ablass will ich echt nicht von mir gleichgestellten entgegennehmen...


    Gruss

    loner


    Bi Biker : Sorry, bin nicht mobil genug für "Geheimtreffen" ;) Aber es wäre ganz sicher spannend nur schon zuzuhören. Wünsche dir viel Erfolg auf der Suche.

  • Sie sagt das sie Angst hat mich zu verlieren und das sie mich nicht mit einem Mann teilen will.

    Das mit dem verlieren ist Blödsinn, das habe ich ihr gesagt, denn ich möchte kein Verhältnis mit einem Mann. Ich stehe eher auf einmalige schnelle Dates. Natürlich kann ich es nicht komplett ausschließen mit einem der zu 100% meinen Vorstellungen entspricht, aber das ist sehr unwahrscheinlich weil a. wir sehr ländlich wohnen und b. die Wahrscheinlichkeit Mr Wright zu finden gegen 0 tendiert

  • Trotzdem. Es tendiert gegen Null, ist es aber nicht. Mal anatomisch betrachtet: Wie sehr sagt dir eine Tätigkeit deiner Frau zu, bei der sie ihr Herz verlieren könnte?

    Ich kann sie verstehen. Und es scheint nicht eine "billige" Inanspruchnahme deiner Person zu sein (wobei das bei manchen Frauen schwer zu unterscheiden ist...).

    Du solltest auch ihre Gefühle respektieren. Offenbar ist sie nicht so fest überzeugt wie du. Vielleicht kannst du das irgendwie verbessern, noch mehr von ihrem Vertrauen gewinnen.

    Aber, es klingt brutal und ist es letztlich auch, es geht letztlich um ein Gleichgewicht, ein Abwägen. Welches ist das grössere Übel: Die Frau, die du liebst zu verängstigen oder deine (sexuellen) Bedürfnisse zu unterdrücken? Bemerkung: Es gibt sehr viele Betrüger und Betrügerinnen in Beziehungen, die ihre sexuellen Bedürfnisse auch ausserhalb der Partnerschaft erfüllen. Aber es gibt genausoviele (hoffe ich) die diese Bedürfnisse unterdrücken (muss ja nicht zwingend homosexueller Natur sein). Es geht aber nicht darum herauszufinden zu welcher Sorte man gehört. Diese Antwort ergibt sich dann von alleine. Es geht darum auf sich selbst zu hören, sich selbst zu kennen. Um abschätzen zu können was man sich zutrauen oder zumuten kann, also welche Bedürfnisse die wichtigsten sind.

  • Die letzten Jahre habe ich sie mit einigen Männern betrogen und es ist gut das sie das nicht weiß. Aber für mich war es eine sehr geile Zeit in der ich meine bi Neigung ausgiebig gelebt habe. Moralisch ist das nicht in Ordnung, aber die 43 jährige Ehe auf's Spiel zu setzen ist keine Alternative.

    Da sie jetzt kein Pferd mehr hat (was sie bis jetzt davon abgehalten hat mit mir im Wohnmobil zu fahren) kann ich jetzt keine Dates mehr haben, eben weil ich mich jetzt bei ihr geoutet habe.

    Ja, ich liebe meine Frau und das bleibt auch so. Ich habe mich entschlossen meine bi Gedanken nur noch für mich zu behalten und mich an den Erinnerungen zu erfreuen die ich mit den Männern hatte.

  • ich glaube, das ist fast schon eine normale Reaktion. Mein Ex wollte mich davon immer ein wenig abhalten und bei meiner Frau ist es ähnlich. Aber auch irgendwo verständlich weil es sich für sie_ihn erstmal so anfühlt, als würde sie_er dir als Beziehung nicht ausreichen.

    Das versuche ich ihr jetzt auch zu zeigen, das sie mir reicht grad weil ich mich mit der Hochzeit und allem ganz klar für sie entschieden hab.

    Die Gedanken sind und bleiben frei.

  • Hm, du kennst sicher das Sprichwort: "Wer einmal betrügt...". Ich selbst halte nichts davon. Ich glaube dass sich jemand, der betrogen hat, genauso ändern kann wie jemand, der gerade dabei ist damit anzufangen. Aber je nach dem was man beim Betrug erlebt hat, oder gefühlt hat, wird es schwer davon loszukommen. Das ist es jedenfalls wovor ich mich auch fürchte wenn es um meine versteckte Bisexualität geht. Und selbst ich, ohne Erfahrung, habe teilweise hart daran zu beissen. Vielleicht hilft es wenn man sich diese Problemaik vor Augen führt. Dann ist man vielleicht etwas gefasster wenns mal wirklich in einem brennt...


    Ich wünsche dir jedenfalls eine schöne Zeit. Mit deiner Frau und deinen Erinnerungen. Aber auch wenn alles anders kommt als erwartet. Denn letztlich geht es nur darum sein eigenes Leben zu führen. Geilheit ist "nur" ein Topping und nicht dauerhaft oder matchentscheidend, Rücksicht ist "nur" für die geliebten oder aus Anstand, aber genausowenig entscheidend. Nur das Leben an und für sich kann das bieten. Das glaube und hoffe ich jedenfalls. ;)

  • Wow... Es ist selten jemanden so klar und selbstbewusst von seinem Willen sprechen zu hören, äh lesen...

    Selbstverständlich hat die Erfahrung dein Leben bereichert. Aber das hätte sie auch wenn es "misslungen" wäre, sei es wegen der Erfahrung selbst oder weil sie nicht geheim geblieben ist.

    Ich gebe zu, dass ich Menschen bewundere, die für ihre Sache einstehen. Das erfordert teilweise Mut, birgt ein Risiko. Ich habe diesen Mut aber nicht. Aber he, das tolle ist, wie man es auch dreht, man findet immer auch etwas gutes daran. :) Beim Verzicht ist es die Treue, bei der Erfahrung ist es die Bereicherung...


    Ich wünsche eine gute Nacht.