Am letzen Bi-Treff im HAZ-Centro stand,
ausgelöst durch das konkrete Erleben eines Teilnehmers, das Thema
„Gleichzeitigkeit der Gefühle“ im Mittelpunkt. Er hatte sich am
Morgen von seiner Frau verabschiedet, um den Rest des Tages und die
kommende Nacht mit seinem Geliebten zu verbringen. Auf dem Weg nach
Zürich realisierte er, dass er gleichzeitig Vorfreude auf die
Begegnung mit dem Mann, aber auch den Trennungsschmerz von seiner
Frau empfand und fand es schwierig, mit dieser Gleichzeitigkeit
umzugehen. Die Gruppe war einverstanden, auf dieses Thema einzugehen.
Jeder Einzelne gab in die Runde, was dieses Thema bei ihm auslöste.
Wir hörten jedem zuerst aufmerksam zu, dann stellten wir
Verständnisfragen. Hier eine Zusammenfassung:
Es scheint das Wesen der Bisexualität
zu sein, im Widerstreit mit sich selber und den anderen zu leben. Wir
stellten bald fest, dass wir dabei vorerst bei uns selber und unserem
eigenen Umgang mit dieser Gleichzeitigkeit bleiben wollten. Dass es
vorerst einmal darum gehen sollte, zu schauen, was ein solcher
Widerspruch bei uns selber auslöst und wie jeder Einzelne damit
umgehen kann.
Als erstes tauchte der Vorschlag auf,
Begegnungen nicht zu schnell aufeinander folgen zu lassen, nicht vom
Abschied eines geliebten Menschen unmittelbar in die Begegnung mit
dem anderen Geliebten zu gehen, sondern einen Freiraum zu schaffen,
in dem man sich auf sich selber besinnt, zu sich selber kommen kann.
Ein nicht leichtes Unterfangen, in unserer heutigen, hektischen Zeit,
in der wir uns gewohnt sind, von Event zu Event zu hechten, sich die
Termine drängen. Zu sich selber kommen, nachspüren was gerade
gewesen ist, und sich einstimmen auf das Neue, das bevorsteht wäre
angesagt.
Doch schon bald drängte sich auch auf,
dass das Einverständnis aller Beteiligten ein wesentliches Element
ist, dass man sich in dieser Situation wohl fühlt. Je offener die
Situation gelebt wird, und je sicherer man sich des Einverständnisses
aller Beteiligten sein kann, desto leichter ist es, sich auf sich
selber zu konzentrieren.
Dass dieses Einverständnis nichts
Selbstverständliches sei, und als eine wertvolle Ausnahme gelten
dürfe, stand bald einmal im Raum. Einer der Teilnehmer schilderte
ausführlich und sehr emotional, was es bei ihm ausgelöst habe, als
seine Frau ihm das Ultimatum stellte, er müsse sich entscheiden
zwischen ihr und dem Mann, den er eben kennengelernt hatte. Das habe
ihn in eine solche Seelennot gebracht, dass er mit stundenlangen
Heulkrämpfen und Selbstmordabsichten in eine psychiatrische Klinik
eingeliefert werden musste. Heute sei er geschieden.
Als weiterer Aspekt tauchte auf, dass
das Einverständnis nicht nur auf einer verbalen Konsensebene
vorhanden sein muss, sondern, dass es auch gefühlsmässig stimmen
muss. Alle Abmachungen, auch wenn sie noch so klar sind, tragen eine
gefühlsmässige Komponente in sich. Gelingt es einem, diese auch
anzusprechen und im wahrsten Sinne des Wortes „wahr zu nehmen“,
kann man sich in so einer Einverständniserklärung niederlassen und
es wird die darunterliegende Ebene, die man in der
prozessorientierten Lösungsfindung als „Traumebene“ bezeichnet
zugänglich. Diese Traumebene beinhaltet das, was wir alle uns als
Menschen wünschen, nämlich bedingungslos geliebt und akzeptiert zu
werden und in Frieden und angemessenem Wohlstand in Sicherheit zu
leben. Gelingt es, in einer Partnerschaft sich auf dieser Ebene zu
finden, ist vieles möglich. Auch das Einverständnis, dass der
Partner nicht nur das Gegengeschlecht, sonder auch das eigene liebt,
und beide Beziehungen braucht, die zu einer Frau und zu einem Mann,
um Liebe vollständig zu leben.