Ménage à trois (Roman)

  • Juerg Kilchherr 2005


    Das Buch in im freine Handel nicht mehr erhältlich, jedoch können noch wenige Exemplare über den Autor bezogen werden.



    Der Schlüssel zum Geheimen lag für Juan auf Antonias und Gustavs Haut. Sein Dasein, Lieben, Leiden war von drei Körpern durchdrungen. Dem eigenen und der Sehnsucht nach einer Frau und einem Mann. Vorbei waren die Zeiten, in denen er in ständiger Furcht vor sich selbst, seine sexuellen Bedürfnisse verleugnete. Nun waren das Begehren und die Begierde zu dritt sein eigen.
    Von ihren beiden Körpern nahm er sich, was er wollte, egal wann und wo. Abend für Abend verwandelte er sein Haus mit seiner Vorstellung von Liebe, gab sich dem Gespür für Besonderheiten hin. Endlich hatte er einen Weg gefunden, um diese Art von Liebe und seine Doppelnatur auszuleben. Vorbei war der Sittendruck seiner ländlichen Wohngegend. Das war nicht immer so gewesen.
    Lange war da nichts Offensichtliches, schien es für Juans Verlobte Antonia keine Anzeichen von der Doppelnatur ihres Mannes zu geben bis ein Fremder namens Gustav in ihr beider Leben trat. Sein Eros forderte das Paar auf, ein neues Feld zu betreten, das weit über das Alltägliche hinausging. Schnell wurde das Paar von der geheimen Grösse der Sünde berührt, Tore geöffnet, der Begierde eine leidenschaftliche Grenzenlosigkeit zugeführt, die bald jeder der drei mit dem anderen auslebte.
    Es war letzten Herbst gewesen, schon gegen Mitternacht, als Antonia von einer Reportage über radikale Islamisten in Tanger aus Marroko zurückkehrte, da stand im Flur ein Tramperrucksack mit einer Jakobsmuschel. Ein zweiter Mann war eingezogen und brachte alles durcheinander
    Bei Kerzenschein und Gaszpacho auf dem Balkon erzählte ihr Juan die lückenhafte Version von seiner ersten Begegnung mit Gustav auf der Festung in Granada. Ausserhalb der Alhambra, ein maurisches Bauwerk, selbstverständlich zu ihr gehörend, wie ein für die Ewigkeit bestimmtes Liebespaar, die arabischen Rosengärten el Generalife. Daher führte ein dunkler Gang zum Aussichtsturm, den Juan oft abends durchschritt, um im Anblick der Las Ventas, Plaza de Toros, dem im Fluss Rio Darro sich spiegelndem Lichtermeer Granadas inne-zuhalten.
    An diesem Ort schien es ihm aber auch selbstverständlich, dass irgendein Mann auf ihn wartete. Mit dem Rücken an einen Orangenbaum gelehnt, fing ein Unbekannter mit einem Bleistift und Block die Szene in den Gassen des Albaicinviertels ein. Er sah zu Juan herüber, grüsste. Neben ihm ein Wasserspeier. Mit der hohlen Hand schöpfte er ein wenig Wasser, spülte den Mund, warf es ins erhitzte Gesicht. Kaum zwei Schritte von Juan entfernt, sagte er in Spanisch mit Akzent: “ me gusto de sus corridas durante la Fiesta Corpus Christi.“„Gracias“ und Juan hatte nicht vor mehr zu sagen, drehte sich zu ihm um, sah ihm das erste Mal direkt ins Gesicht. Tropfendes blondes Haar, blaue Augen, makellose Gesichtszüge. Ein Bild vollkommender Schönheit und Reinheit verstörte Juan, weil er seine Jugend verloren hatte und sich nun von ihr bedrängen liess.
    Der Fremde holte ein Päckchen Hanf aus seiner Jeansjacke, öffnete es, bot Juan ein Schächtelchen mit Zigarettenpapier an. Juan, der noch nie geraucht hatte, nahm ein Blatt Papier, streute etwas Hanf darauf, versuchte sich den ersten Joint seines Lebens zu drehen. Es misslang. Der Fremde lachte. Ein helles, jungenhaftes Lachen, es klang wie eine Befreiung. Er machte einen Schritt auf Juan zu:
    „Nehmen Sie meinen Joint!“
    Juan spürte die erwartungsvolle Hitze seines jungen Körpers, den Geruch von Hanf. Er berührte, als er nach dem Joint griff, mit den Fingerspitzen seine kühle Hand unter der Haut der Wärme war. Der Fremde stahl ihm ein Gefühl der inneren Sicherheit. Zwar wusste Juan, dass Matadoren wie er Objekte der Begierde auch von anderen Männern waren, doch nur in der Arena. Hier befand er sich auf dem offenen Feld der Lust, die der aufkeimenden Phantasie keine Zügel verlieh. Kurz zitterte er, ehe er sich im Fragen nach Allgemeinem wieder fing, erfuhr, dass der Fremde Schweizer war. Nach dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela nun Andalusien bereiste und in einer schrecklichen Lage steckte.¨
    Antonia war überrascht über die Grosszügigkeit ihres Mannes, einem Fremden, der der hohen Kriminalitätsrate Andalusiens zum Opfer gefallen, bestohlen worden war, Obdach zu gewähren. Ihr Bauchgefühl misstraute der ganzen Sache. Doch sie sagte nichts, liess ihren Verlobten erzählen.
    „Er ist nett, kreativ, gesprächig. Du wirst ihn morgen beim Frühstück sehen. Jetzt schläft er wie die letzten zehn Tage im Gästezimmer. Übrigens, er sieht wie dieser blonde, amerikanische Schauspieler aus, du weist schon.“Für einen Moment verzog Juan seine Lippen.
    „War da mehr geschehen, als ihr Verlobter erzählte?“ Sie wurde ein zweites Mal misstrauisch. Hob ihre Augenbrauen, ehe ihr Juan wieder einen Löffel Gaszpacho in den Mund goss und sofort versuchte, ihren Zweifel über seine Liebe zu ihr wegzuwischen. Er tauchte mit dem Löffel nach dem Eis, lutschte die Brühe ab, warf ihren Kopf zurück. Nun liess er den Würfel aus seinem Mund auf ihr Dekolleté fallen, rolle ihn mit der Zunge zwischen der Spalte der Brüste hin und her. Ehe das Eis geschmolzen war, stürzten sie ineinander, umarmten sich mit der Gewalt und dem Ungestüm junger Hunde, als wollten Sie sich gegenseitig erdrücken, die Knochen brechen, den Atem nehmen. Ihre Hände zerrten an seinem Hemd, die Haut seines Rückens war heiss und nass, die Muskeln vibrierten vor Anstrengung und gleichzeitig spürte er ihre Fingernägel Spuren über seinen Rücken ziehen. Sie küssten sich, nein, sie kämpften in der Umarmung, ihre Lippen bissen die Lippen des anderen, mehr ein Zusammenstoss als ein Küssen. Als dürften Sie keine Sekunde verlieren, als müssten sie sich aneinander festhalten, als wäre es das letzte Mal, jemanden im Arm zu haben, verzweifelt und euphorisch zugleich. Er spürte wie ihr Körper sich aufheizte, weich wurde, wie ihre Hüfte sich an seinen Schenkeln weitete
    „Mm, das füllt sich gut an“, flüsterte Antonia, streckte ihm ihre Zungenspitze ins Ohr, spürte gleichzeitig seine Männlichkeit auf, drückte, polierte sie mit ihrer Hand. Sie gilt an seinem Körper hinunter, er fühlte den weichen Druck ihrer Brüste an seinen Oberschenkeln. Er dachte, er würde auf der Stelle kommen. Packte ihren Hintern, versuchte ihn in Richtung Männlichkeit zu steuern, aber sie beugte sich herüber, zauberte ein Kondom unter dem Couchkissen hervor.„Damit wir unsere Liebe mit niemandem teilen müssen“, dachte aber „ich bin nicht der weibliche Organismus, um deine DNA zu reproduzieren“ während sie die Packung aufriss, ihm das Gummi überstreifte. Juan wollte sich dagegen auflehnen, doch sie liess sich unter leisen Aufschreien auf ihm nieder.
    „Oh Gott“ stöhnte sie. Warf den Kopf zurück, dann richtete sie sich auf, um vor und zurückzuschaukeln. Als ihre Bewegungen schneller wurden, zog Juan sie zu sich herunter. Sie packte eine Handvoll von seinem Bauch, ritt ihn wie ein Jockey durch den Parcours der Lust bis ans Ziel.
    Antonia legte sich neben ihn. Er tastete nach ihr, doch sie schob sanft seine Hand weg, drehte sich zur Seite, bemerkte wie sich der Vorhang des Gästezimmers schloss, der Fremde von Fenster zurücktrat. Er hatte alles gesehen.
    Coyright Juerg Kilchherr


    Zweiter Ausschnitt aus dem Roman Ménage à trois


    Nach dem Geständnis des Vaters, die Schüsse auf seinen Sohn, den Jüngling abgegeben zu haben, die für dessen Tod verantwortlich waren, verhaftete ihn die Polizei. Juan indes kam mit einer Busse für sein Fehlverhalten davon. Sofort reiste er nach seiner Entlassung an Gustavs Krankenbett. Der schaute zu ihm auf. Sein Blick wanderte von einem Auge zum anderen, jedes in ein anderes Gesicht mit Dreitagebart. Etwas hatte sich aber auch in Gustav verändert. „Deine Haut ist so durchsichtig“ bemerkte Juan als er Gustav die Hand reichte, „als ob ich durchsehen könnte. Wie geht es dir?“ Sein Körpergeruch hatte sich verändert in der sterilen Atmosphäre des Krankenhauses, das roch Juan, als seine Hand über die Haare fuhr, die alle Gerüche seiner Bettlägerigkeit aufgenommen hatten. „Besser, in zwei Tagen kann ich raus. Dann möchte ich mich auf dem Hof deines Vaters bei den Pferden erholen.“ „Mallorca fände ich besser.“. Juan schmeckte die Mandelseife, die Gustavs Körper von den Absonderungen auf die Medikamente gereinigt hatten. Er legte Granatäpfel auf den Nachtisch, streifte die Folie des Strausses ab, der Duft rosafarbener Rosenblüten nahm den Raum gefangen. „Sie gleichen deiner Haut am meisten“, fixte Juan, als er die Rosen ins Wasser stellte. Er verstand es immer wieder mit seiner Leidenschaft für das Riechen, Menschen mit Düften zu locken, die an Fruchtbarkeit, Energie und Lebenskraft erinnerten und erregten. Dann stellte er sich auf die neuen Bedürfnisse der Umhüllten ein, verführte, gestand Gustav seine Liebe. „Wahrscheinlich bedeutet es dir nichts, dass ich deinetwegen mein ganzes Leben durcheinandergebracht habe – nur weil ich dich so mag.“ „Das hast du nicht meinetwegen getan, Juan, ich war nur der Vorwand.“ „Ich hätte es nie fertiggebracht, wenn ich dich nicht so..... Juans Knie zitterten, der Bauch wühlte, das Herz klopfte wild, er dachte an all das, was Gustav in ihm geweckt hatte. „Spare dir die Tränen, für das was nun kommt. Die Hiebe der Gesellschaft. Wenn du aussteigen willst, dann wäre jetzt der Zeitpunkt. Ein Bekenntnis ist immer irrevisibel.“ „Wovon zum Teufel redest du? Nur damit ich keine Ängste mehr kenne, kehre ich nicht mehr ins alte Leben zurück. Jetzt wo sich der Schleier hebt, Licht in meine Schattenzonen fliesst, meine Lebenslüge stirbt. In diesem Leben wird sowieso ausnahmslos jeder Mensch verletzt, das hat mir der Jüngling gezeigt.“ Gustav dachte, nun ist er kein Gefangener der Tradition mehr. Er hat keine Angst mehr, zeitweise das Gesetz zu übertreten oder die Spielregeln zu ändern. Er schloss die Augen. Sah wie ihm auf einem Feld Weizen durch die Finger rann, wuchs, der Wind aufkam und er die Ahlen mit der Strömung dirigierte. Seine Saat ging auf. Als er wieder aufwachte, lag Juans feuchter Speichel auf seinen Lippen. Homosexuelles Begehren war nun ein freies Gefühl. Gustav fasste Juans zitternde Hände, lächelte „Juan, nun unterscheidest du dich wie ich, von vielen Menschen, die nur einen lieben können. Du liebst mehr und stärker, viel stärker, manchmal so stark wie ein Kind, ohne Berechnung, ohne Bedingung. Du gibst Hundertprozent. Du kannst dich nicht wehren, du willst es auch nicht, so stark zu lieben, es ist wunderbar und mit nichts vergleichbar, es ist einfach voller, perfekter, es hat dich süchtig gemacht, ohne es zu wissen.“ Juan legte seinen Kopf auf Gustavs Brust, hoffte, er könne das Echo der schönen Worte noch hören zwischen den Herzschlägen, die ans Skelett schlugen. Er griff in seine Hosentasche, grub das Kreuz des Jünglings hervor, legte es Gustav um den Hals. „Ich habe mich im Gefängnis mit dem Toten versöhnt, obwohl er mir meinen Ruf ruiniert hat. Das Kreuz hat er mir für dich gegeben. Ich konnte es dir nicht früher geben, weil ich dann einen Beweis für meine geheimen Sehnsüchte geliefert hätte. Ich hoffe, du verzeihst mir?“ Hinter dem Vorhang schnäuzte sich Pedro Vegas, ein junger Politiker aus der Region, die Nase. Er hatte von seinem Bett alles mitangehört, war gerührt. Es wurde später Nachmittag, als sich der christlichdemokratische Regierungsabgeordnete, der wegen eines Blindarms im Krankenhaus war, von Juan im Park verabschiedete, mit Gustav wieder ins gleiche Krankenzimmer zurückging. Das Thema des Gesprächs fiel unweigerlich auf Männerliebe. Seine Haltung dazu war derart liberal, differenziert, aber auch kritisch für eine katholische Region, dass Gustav mit grosser Aufmerksamkeit seine Rhetorik anhörte, deren Kern bald Praxis wurde. Nach Pedro Vegas Meinung, könne heute die Partnerschaft, auch die gleichgeschlechtliche, von einem göttlichen Gedanken ausgehen, die Einsamkeit zu verhindern. Er finde auch, dass es der Kirche nicht darum gehen sollte, Randfiguren mit Bibeltexten ohnmächtig zu machen, sondern die Texte mit Phantasie befreiend auszulegen, damit sie die Menschen, die die nötig hätten, neu ermächtigten. Die schlechteste Lösung sei, die Texte einfach zu ignorieren, denn sie gehörten zu unserem Leben einfach dazu. Die richtige Sprache sei sowieso das einzige Mittel, das die Kirche vor der Bedeutungslosigkeit retten könne. Im modernen Europa müssten auch andere Religionen einsehen, dass sie nicht vor Gott sich für ihr Verhalten rechtfertigen müssen, sondern vor der Verfassung. „Darum bin ich für den Ausbau der Minderheitenrechte.“ Dann wurde er direkt. „Wenn ich euch zwei so sehe, scheint mir die menschliche Wertigkeit und Moral an nichts verloren zu haben. Höre ich mich aber im Volk rum, ist alles nur noch auf finanziellen Fortschritt, Wohlstand, Reichtum ausgerichtet. Da reden Paare von Liebe und meinen doch nur Sex. Keiner reflektiert mehr sein Verhalten. Alle leben auf der Überholspur.“ „Die Zivilisation verroht immer mehr, da gebe ich ihnen recht“, warf Gustav ein. „Da sind wir zwei verliebte Jungen, die sich gegenseitig verstehen wollen, doch lieber“, schmunzelte der Politiker, „Wir lieben auch Frauen“. „Oh, dann gehörst du Gustav und dein Freund aber einer Sorte an, zu der nur wenige Zugänge haben“.
    coyright juergkilchherr