Ist Bisexualität in einer Partnerschaft überhaupt lebbar?

  • Ein Bisexueller Mensch, in meinem Falle ein Mann, hat idealerweise eine Beziehung zu einem Mann und zu einer Frau gleichzeitig. Seine Idealvorstellung ist, und das weiss ich aus eigener Erfahrung, möglichst in einer Familie mit einer verständnisvollen, liebenden Frau und fröhlichen, unbeschwerten Kindern zu leben und gleichzeitig einen zärtlich feurigen, grossen starken Liebhaber zu haben. Wenn er das hat, gelingt es ihm immer wieder zwischen diesen beiden Welten hin und her zu pendeln und jede Seite bereichert jeweils die andere. Bei seiner Frau wird er selber zum idealen Liebhaber weil seine männliche Identität durch die Begegnung, das Wahrnehmen und wahr genommen werden durch den anderen Mann, seine Männlichkeit bestätigt und beflügelt wird. Wie in einem Spiegel erlebt er sich selber, lernt sein eigenes Geschlecht zu lieben. Idealerweise kann er mit diesem gestärkten Idealbild, das durch die gleichgeschlechtliche Begegnung genährt wird, seiner Frau selbstbewusster, kraftvoller aber auch einfühlsamer und eindringlich zärtlich begegnen. Ein idealer Mann, der in seiner Körperlichkeit und seinem Geiste voll bewusst dem Weiblichen begegnet. Jede Frau wünscht sich eigentlich so einen Mann. Eine solche Dreierkonstellation scheint nur lebbar, wenn es sich um drei absolut souveräne, eigenständige Persönlichkeiten handelt, jeder sein eigenes Leben lebt, vom anderen völlig unabhängig ist. Aber, um Brechts Dreigroschenoper zu zitieren: „Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.“ Solche Persönlichkeiten bräuchten im Prinzip gar keine verbindlichen Beziehungen mehr, und Verbindlichkeit ist doch gerade das, wonach wir uns schussendlich alle sehnen. Wünschen wir uns nicht alle eine Partnerschaft, in der Verbindlichkeit und gegenseitiges Wahrnehmen, Zuverlässigkeit, Achtung und tiefe Liebe unverbrüchliche Werte sind?


    Wer müsste was lernen, damit so eine Dreierkonstellation und damit die Bisexualität an sich überhaupt lebbar würde? Hat Udo Rauchfleisch recht, wenn er in seinem Buch „Schwule, Lesben, Bisexuelle“ dem Sinne nach schreibt, dass eine solche Konstellation nur möglich ist, wenn die Frau in die sexuellen Aktivitäten mit einbezogen wird, und wo ist die Frau zu finden, die zu so Etwas bereit ist? Wo sind überhaupt die drei Menschen zu finden, die sich auf ein solches Wagnis von Verletzungsmöglichkeiten einlassen und sie über längere Zeit aushalten?


    Muss man, muss ich, daraus schliessen, das Bisexualität nicht gleichzeitig lebbar ist? Dass nur abwechslungsweise entweder zu einem Mann oder zu einer Frau eine Liebesbeziehung möglich ist? Die Pendelbewegung nicht in einer gleichzeitigen Dreierbeziehung gelebt werden kann, sondern nur in längeren zeitlichen Abfolgen von Monaten und Jahren. Muss ich annehmen, dass der lapidare Lexikoneintrag die letzte Wahrheit ist, der sagt, dass als bisexuell gelte, wer innerhalb eines Jahres sowohl mit Männern als auch mit Frauen sexuellen Kontakt gehabt habe.


    Mich persönlich interessiert die Problematik des Liebhabers, weil ich selber in dieser Situation war. Theoretisch müsse der Liebhaber ein absolut souveräner, eigenständiger Mensch sein, der sein Leben lebt, aber trotzdem in liebender Verbindung mit dem Mann bleiben, der seinen familiären Verpflichtungen nachkommt, und Zeit braucht, um seiner Frau ein liebender Gatte zu sein. Es ist aber nicht nur die Zeit, die überbrückt werden muss, es ist auch die Anforderung, zu akzeptieren, dass der Mensch, den man liebt und mit dem man alle erdenkliche Nähe zulässt, diese Intimität auch mit seiner Frau lebt. Natürlich erlebt er etwas anderes, das habe ich weiter oben beschrieben. Aber die schützende Kugel, die sich idealerweise als Liebe und Beziehung um eine tief erfahrene Nähe legt, wird aufgebrochen und das schmerzt. Dies auszuhalten ist ein verstandesmässiger Gewaltakt als Versuch die Situation auszuhalten.


    An unserem Gesprächen in der Bi-Gruppe hat sich herauskristallisiert, dass es in den meisten Fällen der Liebhaber ist, der aus diesem Dreiergespann aussteigt, weil er die Spannung nicht aushält, und der Ehemann bei seiner Familie bleibt und sich fortan hütet, sich wieder in einen Mann zu verlieben, oder wartet, bis sich eine neue Gelegenheit auftut mit einem „reiferen“ Liebhaber.


    Oder die Ehefrau zieht sich zurück, und aus dem bisexuellen Traummann wird ein geschiedener Schwuler (oder doch Bisexueller?) Vater oder Alleinstehender.


    Dieser Themenkreis interessiert mich. Ich bin Leiter der bisexuellen Arbeitsgruppe der HAZ und suche Männer und Frauen, die aus eigener Betroffenheit heraus an einem Austausch interessiert sind, sei es in einer Gruppe, diesem Forum oder ganz einfach an unserne Bi-Treffen  am ersten Donnerstag im Monat kommen.

  • Diese Frage beschäftigt mich auch schon ein Weilchen. Da mich flüchtige Abenteuer nicht interessieren, aber einen sehr verständnisvollen Ehemann haben, halten wir beide schon seit Jahren Ausschau nach einer Frau, die unsere Partnerschaft bereichert und ergänzt.
    Die Krux ist nur, das dies exponentiell schwieriger ist, als die Suche nach einem Partner in einer Zweierbeziehung. Denn erstens sollte die Frau unserer Träume auch bi sein, damit alle einander nahe kommen können und dann zweitens für uns beide, meinen Mann und ich auch attraktiv. Da fängt es dann schon an.
    Bevor wir also überhaupt herausfinden können, ob Bisexualität und Partnerschaft vereinbar sind, müssten wir erst einmal so weit kommen. Wie du (?) in einem der anderen Forumsbeiträge schreibst, stösst man beim Coming-Out meist auf Unverständnis. Da wir zudem im Bildungswesen tätig sind, sind wir sehr vorsichtig, wem wir etwas über unsere sexuellen Präferenzen anvertrauen. So ist es noch schwieriger, jemanden kennen zu lernen.


    So bleibt weiterhin diese Seite meiner sexuellen Wünsche auf auf der Strecke. Ich tröste mich damit, dass ich mja eine funktionierende hetero-Beziehung habe, was mehr ist als viele andere von sich sagen können. Träumen und Wünschen kann ich ja weiterhin.


    Freue mich auf die weiteren Beiträge in den Foren.


    Dreieck